
Unglaublich, jetzt haben wir mittlerweile 1 Jahr mit Geisterspielen zu tun. Ein Jahr, wo COVID-19 mittlerweile auch das Leben von Fußballfans endgültig bestimmt.
Habe mir mal ein paar Gedanken gemacht. Was machte dieses eine Jahr mit mir als Fußballfan?
Ich gebe es durchaus zu, der Fußball ist mir tatsächlich ein Stückweit egal geworden. Immer wenn ich ein Geisterspiel sehe, denke ich immer an die alte Anti-Weisheit "Fußball ist ein Spiel, wo 22 Leute einem blöden Ball hinterherlaufen". Fußball auf diese Weise macht mir einfach keinen Spaß. Ich bin eigentlich nur die typische Couchkartoffel... kann mir meine Stadionbesuche anhand von zwei Händen abzählen. Aber ich sage da auch knallhart. Ohne das Publikum ist der Fußball einfach nur auf seine Knochen heruntergebrochen. Selbst als Nicht-Stadiongänger brauche ich die Fangesänge, den Jubel, ja vielleicht sogar die Pfeifkonzerte. Und natürlich einfach die pure Emotion anhand der Spielsituation. Und nicht vom Band, das fühlt sich einfach nur total künstlich an.
Was kann ich groß sagen... ich habe seit dem Restart in 2020 tatsächlich nur ganz wenige BVB-Spiele gesehen. Die Sportschau habe ich auch seitdem wahrscheinlich so wenig gesehen wie seit Jahren nimmer... es fühlt sich für mich einfach falsch an.
Natürlich bin ich nicht soweit, um zu sagen, der BVB ist mir egal. Das ist natürlich nicht so. Allerdings will ich auch nicht verhehlen, dass mein Verhältnis die letzten Jahre auch wieder abgekühlt ist. Gucke zwar kein Spiel mehr Live (von einzelnen Free-TV Spielen mal abgesehen), aber trotzdem gucke ich dennoch regelmäßig in den Ticker vom Kicker oder auch einfach hier ins Forum. Ja, manchmal diskutiere ich sogar mit, obwohl ich keine einzige Sekunde vom Spiel sehe.
Das mag vielleicht auch etwas seltsam klingen, aber wenn ich ein Spiel nur schriftlich verfolge, bekomme ich es zumindest im Ansatz hin, mir vorzustellen, wie das Stadion mit Fans gefüllt ist... da ist das einfach wie ein Buch, wo man sich einfach die Charaktere und die Umgebung vorstellt .
Aber die ganze Distanz zum Fußball verspüre ich da schon aus mehreren Gründen:
1) Es wird ziemlich vor Augen geführt, wie unbedeutend Fans für den Profifußball eigentlich geworden sind. In tieferen Ligen läuft ohne diese seit einem Jahr quasi gar nichts mehr. Aber in den Profiligen läuft das hingegen alles ziemlich problemlos. Ja sicherlich gibt es da Umsatzverluste und das bedeutet auch, dass die Ablösesummen und Gehälter sicherlich ein bisschen schrumpfen werden... aber abseits davon? Läuft die Show doch ziemlich unbeeindruckt weiter. Man muss aber auch zugeben, auch ohne Corona ist schon länger kein Spieler extra wegen der "Gelben Wand" länger beim BVB geblieben... es wurde halt nur einem nie so offensichtlich gezeigt.
2) Verbände wie UEFA und FIFA die den Anschein erwecken von einer Pandemie noch nie gehört zu haben. Lassen Spieler aus allen möglichen Ländern zu Nationalmannschaften zusammen kommen. Lassen Teams quer durch Europa reisen, als gäbe es sowas wie Risikogebiete nicht. Mit absurden Szenarien das Teams sogar wegen Reisebeschränkungen in Ländern reisen müssen, wo das Coronavirus sogar noch stärker wütet als in den Ländern der beteiligten Teams.
Um die letzte Europapokalsaison irgendwie noch zu einem Ende zu bringen, hatte ich durchaus Verständnis für diese Final-8 Turniere. Da konnte man das mit der Bubble auch noch nachvollziehbar erklären. Alle 8 Teams in einem abgesperrten Bereich. Aber für diese Saison fehlt mir da wirklich jegliches Verständnis. Die Infektionen sind sogar noch höher als letztes Jahr. Wenn man diese Wettbewerbe wirklich unbedingt machen muss (die macht man wahrscheinlich auch wegen TV-Verträgen), dann hätte da einfach ein sehr modifizierter Spielplan hergemusst, damit man den BVB mit Lazio, Brügge und St. Petersburg irgendwo für 3 Wochen am Stück in eine Bubble stecken kann, um dort dann die 6 Gruppenspiele abzuwickeln. Und das ganze halt insgesamt 20x für die anderen 19 Gruppen aus beiden Wettbewerben. Klar, klingt nach einem heftigen organisatorischen Aufwand. Wäre für mich aber ehrlich gesagt die einzig verständnisvolle Methode gewesen, um unter aktuellen Bedingungen einen Europapokal vernünftig ausspielen zu können. Dann gäbe es natürlich noch eine Bubble für die gesamte KO-Phase, wo dann innerhalb kürzester Zeit alle KO-Spiele durchgespielt werden.
Dazu mal die Ergänzung, dass manche Spieler aus dem DFB-Team wohl gar nicht nach Spanien reisen wollten wegen Risikogebiet beim historischen 6:0. Aber natürlich... verweigert hat der DFB die Reise natürlich trotzdem nicht... das führt mich auch direkt zu:
3) Leute wie ein gewisser Vorstandsvorsitzender aus München, die ebenfalls den Anschein machen gar nicht zu wissen, was eigentlich los ist. Oder zu Fragen wie der Sinnhaftigkeit von Europapokalspielen nur "Die UEFA sagt..." als Antwort geben kann. Dabei ist KHR nicht einmal alleine, sondern es scheint da ja allgemein ein Konsens bei allen Vereinen, auch beim BVB zu geben, dass dies niemand öffentlich in Frage stellt. Die UEFA droht mit einem Ausschluss aus der Champions League mit entsprechenden Strafzahlungen, sollte man sich weigern wegen dem Coronavirus zu spielen. Das reicht offenbar um jegliches Gefühl das öffentlich in Frage zu stellen zu unterdrücken. Ich habe das schon unter 2) gesagt.. Pandemie? Was ist das? Betrifft doch nur diese komischen anderen Leuten da, die keine Millionen im Jahr verdienen.
Zu Anfang der Krise sagte man noch "Die Blase platzt jetzt endlich". Ich sehe das tatsächlich nicht. Ich sehe da höchstens einen Luftballon der nur ein bisschen an Luft verliert. Platzen wird dieser aber nicht. Die TV-Zuschauer haben mittlerweile wieder zugenommen, solange dies auch der Fall ist, werden die Vereine auch sehr bald ohne Stadionzuschauer wieder Gewinne verkünden können. Ablösesummen und Gehälter werden naturgemäß etwas sinken. Habe aber ehrlich gesagt kein Glaube daran, dass diese Senkung wirklich signifikant ausfällt. Gerade solange es ohnehin Teams gibt, die sprichwörtlich Staatskassen plündern können.
Manche dieser Eindrücke werden auch bleiben, wenn die Zeit der Geister vorbei ist. Denn die haben auch schon vor Corona angefangen (WM 2022 in Katar, Neymar zu PSG etc.). Das ganze letzte Jahr hat das aber natürlich nur vor Augen geführt, wie hässlich die gesamte Fratze des Profifußballs mittlerweile wirklich ist. Und in welcher Welt dieser mittlerweile lebt.
Von "Volkssport Fußball" kann da aus meiner Sicht gar nicht mehr die Rede sein. Denn der wirkliche Volkssport geht wegen Corona gerade kaputt...
Zum Abschluss noch eine Nachricht von all den Zuschauern in den Stadien:
BUHUHUHUHUHU
Kommentare 7
eberswalder2.0
Bin da leider voll bei dir. Ich nehme irgendwie alles zur Kenntnis ohne mich groß zu ärgern.
CL boykottiere ich. BL gucke ich aber das Ergebnis ist mir eigentlich egal bzw
" früher" hätte ich mich tagelang geärgert heuze Zucke ich nur
Deepstar Autor
So, das geht mir tatsächlich auch so. Liegt für mich aber auch an den Umständen. Ich denke wenn mal wieder die ganze Stimmung da ist, rege ich mich wahrscheinlich wieder tagelang über Pleiten auf und bin dann wieder etwas heißblütiger daran :).
Engin
Kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Bei mir ist das Verhältnis zum Fußball auch abgekühlt. Ich gucke mir zwar noch unsere Spiele an oder schalte auch mal nebenbei irgendwas aus England ein, aber wirkliche Emotionen sind da kaum noch.
Mit einer Ausnahme: Ich habe ja das Glück in Magdeburg nach wie vor zu den Heimspielen ins Stadion zu können. Auch wenn es ohne Zuschauer:innen nicht der Fußball ist, den ich liebe, genieße ich diese zwei, drei Stunden trotzdem – und ziehe sie inzwischen jedem BVB-Spiel vor.
Deepstar Autor
Verstehe ich auch. Ich finde die Premier League ist da bisweilen ja noch schlimmer als die Bundesliga.
Das ist ja mittlerweile selbst mit Zuschauern da eher zu einem Premiumprodukt verkommen dank der recht gepfefferten Eintrittspreise. Zugleich glaube ich sogar, dass der englische Fußball eigentlich extrem zerrissen ist zwischen der Tradition und dem aktuellen Fußballgeschäft. Sieht man ja am Spielplan mit den ganzen traditionellen Pokalmodi und was da zugleich aus finanziellen Gründen für Spielansetzungen gemacht werden. Man sogar eigentlich Teams verstehen kann, die so viele Spieler unter Vertrag haben, dass es für gleich 3 Mannschaften reicht. Bei den Spielplänen in England machst du beim aktuellen Spiel die Spieler eher kaputt... wenn ich daran denke das die da in der 2. Liga ganze 46 Spieltage haben, dazu noch diverse Pokale. Das halte ich bei der Intensitität die Fußball mittlerweile hat auch für ziemlichen Wahnsinn.
Bei aller Kritik an UEFA und FIFA, da bin ich sogar gewillt die DFL zu loben, dass sie da trotz aller finanziellen Vorteile die Montagsspiele nach nur einer Rechteperiode wieder abgesägt haben und da zumindest der Fan das Gefühl hatte, irgendeinen Einfluss zu haben.
usbjt
Hinterlässt mich ein wenig ratlos, Dein Blog. Somma noch, oder somma nich' mehr? Darf man überhaupt noch sollen wollen?
So zufällich wie heftich, wie ich zum BVB gekomm' bin, will ich auf jeden Fall noch und fiebere - ein paar mehr Spiele auf der Uhr als Du - dem nächsten Besuch des TEMPELs entgegen.
Wird ja leider ohnehin noch was dauern, aber selbss wenn sich die Stadien wieder teilöffnen, werden in DO Leute ohne Dauerkarten ganz schlechte Karten ha'm.
Hab' meine Bahncard trotzdem verlängert - Vertragsverlängerungen kommen oft gut ...
Deepstar Autor
Natürlich darfst du :).
Ist für mich auch überhaupt kein Problem. Ich freue mich ja auch wieder auf den Tag, wo ich Fußball mit echter Emotion auf den Rängen erleben kann.
Aber ich habe auch tatsächlich Verständnis für jeden, der auch aktuell Spaß am Sport Fußball hat. Eben aus taktischem Interesse. Denke es ist auch interessant zu sehen, wie Spieler miteinander reden. Was der Trainer an der Seitenlinie macht und so weiter. Die einzelnen Protagonisten sind aktuell sicherlich deutlich mehr im Fokus als sie es mit Zuschauer waren.
Für mich selber ist das halt nur bedingt etwas. In der Stadt wo ich wohne gibt es auch einen Fußballverein der in der Bezirksklasse kickt... habe von diesem aber nie ein Spiel live verfolgt. Daher bin ich in gewisser Weise selbst eine Art Eventie, auch wenn ich zugleich die zunehmende Eventisierung und dazugehörige Kommerzialisierung kritisiere. Hat für mich halt einfach alles eine Grenze.
Aber etwas wird aus dieser Zeit halt trotzdem übrig bleiben. Die totale Nähe wird es für mich endgültig nicht mehr geben. Trotzdem kann ich Spielen des BVBs nach wie vor mitfiebern. Natürlich wünsche ich mir Erfolg für unseren Verein. Auch wenn mich ein Pokalsieg in der aktuellen Zeit nicht so emotional mitnehmen würde als wenn alles normal wäre. Freuen würde ich mich darüber dennoch, natürlich.
usbjt
Sehr schön ausdifferenziert.
Dafür liebe ich unser Forum und seine Macher und Mitglieder.